Inhaltverzeichnis:
- Halle und Halberstadt
- Problematische Erhebung während der Corona-Pandemie
- Weißenfels und Merseburg fordern wissenschaftliche Überprüfung der Zensus-Daten
- Finanzausgleich auf Basis der Melderegister
Halle und Halberstadt
Die Stadt Halle trifft die neue Einwohnerzahl hart. Die Zensus-Ergebnisse zeigen, dass die Einwohnerzahl um etwa 15.000 Menschen oder 6,1 Prozent zu hoch berechnet war. Durch diese Abweichung rechnet die Stadtverwaltung mit einem finanziellen Verlust von rund 10,9 Millionen Euro im Jahr 2025. Für die kleinere Stadt Halberstadt ergibt sich eine ähnliche Problematik: Hier führt der Rückgang von 7,7 Prozent der Einwohnerzahlen zu einem finanziellen Minus von knapp zwei Millionen Euro.
In diesen Städten stellt sich nun die Frage nach der Zuverlässigkeit der Zensus-Ergebnisse. Die Gemeinden argumentieren, dass ihre eigenen Melderegister die tatsächliche Einwohnerzahl genauer widerspiegeln könnten, da viele Daten in den Melderegistern als veraltet gelten. In Sachsen-Anhalt haben sich sogenannte „Karteileichen“ angesammelt, das heißt Personen, die noch gemeldet sind, aber nicht mehr vor Ort leben oder bereits verstorben sind.
Problematische Erhebung während der Corona-Pandemie
Ein weiteres Problem bei der Ermittlung der Einwohnerzahlen waren die Bedingungen während der Corona-Pandemie. Viele der Interviews für den Zensus wurden im Jahr 2022 durchgeführt, als Deutschland noch mit den Folgen der Pandemie kämpfte. Eine Sprecherin des Statistischen Landesamts Sachsen-Anhalt weist darauf hin, dass es während dieser Zeit besonders bei Studierenden häufig zu „Karteileichen“ kam, da viele Kurse online stattfanden und Studierende zeitweise in ihren Heimatdörfern lebten.
Zudem fand eine Vollerhebung in den Wohnheimen statt, wodurch die tatsächliche Präsenz vieler Studierender nicht genau erfasst wurde. Allein in der Altersgruppe der 19- bis 24-Jährigen zeigt sich in Halle eine Differenz von mehr als 1.600 Personen zwischen den Zensus-Daten und den Zahlen des städtischen Melderegisters.
Weißenfels und Merseburg fordern wissenschaftliche Überprüfung der Zensus-Daten
Die Städte Weißenfels und Merseburg führen nun eine wissenschaftliche Überprüfung der Zensus-Ergebnisse an, um die Gründe für die Abweichungen besser zu verstehen. Richard Lemke, Professor für empirische Sozialforschung an der Hochschule Merseburg, übernimmt die Analyse. Sein Ziel ist es nicht, die Zensus-Ergebnisse infrage zu stellen, sondern systematische Schwachstellen zu identifizieren, die zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen könnten.
Die Städte Weißenfels, Halle und andere betroffene Kommunen haben zudem bereits Gespräche mit weiteren Städten in Sachsen-Anhalt wie Oschersleben, Querfurt und Bitterfeld-Wolfen begonnen, um gemeinsam gegen die neuen Einwohnerzahlen Einspruch zu erheben. Die Hoffnung liegt darauf, dass die wissenschaftliche Analyse zeigt, dass die eigenen Melderegister präziser sind als die Hochrechnungen des Zensus.
Finanzausgleich auf Basis der Melderegister
Sollten die Einsprüche der Kommunen vom Statistischen Landesamt abgelehnt werden, bleibt als letzter Schritt eine Klage. Die Erfahrungen aus dem Zensus 2011 zeigen jedoch, dass dies oft wenig Erfolg hat, da Verwaltungsgerichte und sogar das Bundesverfassungsgericht die Zensus-Methode bisher nicht infrage gestellt haben. Daher setzen einige Städte auf einen alternativen Ansatz.
Als Vorbild dient Rheinland-Pfalz, das einzige Bundesland in Deutschland, das den Finanzausgleich nach den Melderegistern der Gemeinden berechnet und nicht auf Basis des Zensus. Die betroffenen Kommunen argumentieren, dass eine Berechnung nach Melderegister-Daten genauer und gerechter wäre als eine Hochrechnung, die auf einer begrenzten Stichprobe basiert.
Quelle: www.patizonet.com/de, mdr.de